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Die Beziehungsebenen

Neben vielen weiteren Systemen, welche Beziehungen beschreiben, möchte ich mich hier noch auf einen weiteren Aspekt beziehen, der meiner Erfahrung nach federführend bei dem Scheitern von Beziehungen ist.

 

Gehen nämlich zwei Erwachsene eine Beziehung miteinander ein, so sind sie sofort in einem ganzen Beziehungsgeflecht gelandet. In einem der vielen Modelle (der Transaktionsanalyse) können wir auf drei Ebenen in Kontakt treten:

 

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  1. Dem Eltern – Ich
  2. Dem Erwachsenen- Ich und
  3. Dem Kind-Ich

 

Aus all den Aspekten, die sich daraus ergeben, möchte ich aber nur einen herausgreifen, den ich für wichtig halte und den ich als zentrale Quelle für das Scheitern von Ehen ausgemacht habe. Es handelt sich um die Frage, ob beide Partner bereits wirklich erwachsen sind.

 

Dies hat damit zu tun, dass wir in unserer Kultur keine klaren Übergänge mehr haben, wie z.B. ein Junge zum Mann wird. Früher gab es Rituale bei uns und heute noch in fremden Kulturen, die dem Heranwachsenden einen Übergang zur Erwachsenen ermöglichen. In all diesen Kulturen endet mit dem Ritual die Beziehung des Heranwachsenden zu seiner Mutter, die nun nicht mehr für ihn verantwortlich ist. In einigen Kulturen wird die Mutter nun für das, was sie ist, geehrt und mit „Sie“ angesprochen. Die Jungen gehen dann aus dem Bannkreis der Mutter zum Vater und den anderen Männern, die für die weitere Erziehung und Ausbildung zuständig sind und bleiben dort. Sie erleben, wie Männer sind, wie sie leben und auch wie sie mit Frauen, Kindern und der Natur umgehen. Das Ritual ist fast immer schmerzhaft und verlangt oft eine Zeit, die der Heranwachsende ganz allein mit sich verbringen muss.

 

Die Mädchen gehen ebenfalls aus dem Bannkreis der Mutter zum Vater. Dort lassen sie sich bestätigen. Der Vater sagt: “Du wirst mal eine tolle Frau!“ Dann kehrt das Mädchen zur Mutter zurück und holt sich die Unterstützung auf dem Weg zur Frau. Der Weg des Mädchens ist gefahrvoller, als der Weg des Jungen. Gefahren liegen darin, dass der Weg zum Vater und dessen Spiegelung und Bestätigung misslingen kann. Eine Form des Misslingens kann darin liegen, dass der Vater die Tochter zu nah an sich heranlässt und ihre Grenzen überschreitet (Inzest). Oder aber er sagt (gerade aus Angst vor Überschreitung) zu früh „Stopp“ was die Tochter als Ablehnung oder Zurückweisung erlebt.

 

Gefahr droht hier auch über das „Schneewittchen-Syndrom“. Die Tochter lebt in Konkurrenz mit der Mutter. So kann sie nicht die Unterstützung der Mutter nehmen. Das schwächt sie in Ihrem Frau-werden. (Sie kann dann nur noch mit kleinen Männern schlafen). Gefährlich ist auch die Mutter als Bienenkönigin. Bienenkönigin-Mütter stehen mit ihren Töchtern in Konkurrenz und können es nicht ertragen, von ihnen in irgendeiner Weise überholt zu werden. Sie erzeugen in ihren Töchtern Schuldkomplexe, wenn diese es wagen, die geheiligte Position der Mutter in Frage zu stellen.

 

Wie dem auch sei: Ein solches Ritual haben wir in unserer Kultur nicht mehr. Die Väter (und andere Männer) sind meist verschwunden. Deren Alltag, wie sie arbeiten und mit anderen Menschen umgehen, bekommen die Kinder nicht mehr mit. So können sie auch von ihren Vätern (und anderen Männern) nicht mehr lernen und erleben, wie „Männer“ sind. Manchmal sind aber auch die Väter noch „Jungen“ geblieben und wissen selbst nicht, wie eigentlich Männer sind.

 

So kommt es vor, dass "Jungs" bei ihrer Mutter bleiben, auch wenn ihr Körper schon erwachsen ist. Es wird von "Jungs" berichtet, die weit über das 40. Lebensjahr bei ihrer Mutter leben. Manchen gelingt es sogar, dass ihre Ehefrauen mit bei ihrer Mutter einziehen.

 

Die Bezogenheit

Es ist wichtig zu beobachten, worauf unsere Bezogenheit gerichtet ist, also wohin wir schauen und auf wen wir achten.

Eine Mutter wird spätestens mit der Geburt die Bezogenheit (Wahrnehmung, Beobachtung und Sorge) von sich auf das Kind übertragen. Von nun an ist es wichtig, was das Kind fühlt, erlebt und benötigt. Dies ist ein wichtiger Mechanismus, der das Überleben des Kindes gewährleistet. Nach und nach holt die gesunde Mutter mehr und mehr dieser Energie vom Kind wieder zurück zu sich selbst, gerade in dem Maße, wie das Kind selbstständig wird. Mit der späteren Trennung vom Kind (Auszug) ist die Mutter wieder ganz allein für sich selbst zuständig.

Nun gelingt es einigen Männern (Jungen) diesen Mechanismus bei Frauen für sich selbst auszulösen. Die Frauen schauen im Grunde nur noch den Mann an, seine Bedürfnisse, Sorgen und Erfolge. Hier gibt es aber keine langsame Ablösung, weil der Mechanismus von Anfang an fälschlicherweise ausgelöst wurde. Man erkennt die Frauen, die darin stecken daran, dass sie stets aus der Sicht ihres Partners berichten, wie z.B. „aber er hat doch gesagt“ oder „er würde dem nicht zustimmen“ etc.

Der Mechanismus funktioniert nun nicht nur in Form einer Mutter-Kind Beziehung, sondern kann auch eine Wiederholung der Erfahrungen der Frau mit ihrem Vater sein. So muss sie immer darauf achten, wie er denn drauf ist, um nicht etwas abzubekommen und Opfer von Gewalt und Missachtung zu werden.

Bei einer Trennungs-Beratung muss der Frau der Wechsel der Bezogenheit fast aufgezwungen werden. Ich demonstriere dies den Frauen, indem ich ihren Kopf und damit ihren Blick wieder weg vom ihrem Mann drehe und sie bitte, mal wieder sich selbst anzusehen. (z.B. im Spiegel)Dabei sagt sie:“ Ich will mich jetzt nicht mehr um Dich kümmern, sondern wieder um mich!“


Ich glaube, dass ein Junge nur dann ein Mann werden kann, wenn er seine Mutter verlässt. Wird dieser Schritt nicht vollzogen, dann bleibt der Junge ein Junge. Hat er einen Konflikt mit seiner Frau, dann bezieht er seine Fähigkeiten damit umzugehen aus seinen Erfahrungen als Sohn seiner Mutter. Die Strategien, die seinerzeit erfolgreich waren, werden gerade deswegen weiter geführt. Sie funktionieren nur, wenn sich die Frau auf Ihre Fähigkeiten zurückzieht „Mutter“ zu sein. Die versagen aber in einer Beziehung von Mann zu Frau.

 

Der nicht erwachsen gewordene Mann sieht die Welt weiter aus der Perspektive eines Kindes. Was bedeutet das nun?

Nun, der Modus eines Kindes ist es, dafür zu sorgen, dass andere seine Bedürfnisse befriedigen. Diese werden dann auch dafür verantwortlich gemacht, wenn es ihnen an etwas fehlt. Die Frage, die ihn bewegt ist: „Was kann ich kriegen?“ Haben die Eheleute Kinder, so reiht sich der Vater oft bei den Kindern mit ein und möchte von seiner Frau (Mutter) auch etwas haben (was ihm vermeintlich zusteht).

 

Im Gegenzug ist der Modus des Erwachsenen, dass er für sich selbst sorgen kann und in einer Beziehung fragt: „Was kann ich geben?“ Hier erlebe ich in meiner Praxis eine Hauptquelle für das Scheitern von Beziehungen. Findet die Frau das Kind im Mann noch sehr attraktiv (Und das hat Vorteile: Das Kind im Partner ist nicht so gefährlich, es bietet Schutz vor Sexualität und Übergriffen) so merkt die Frau spätestens bei der Geburt des ersten Kindes, dass sie nun eigentlich lieber einen Partner hätte, der die nun anstehenden Aufgaben mit ihr gemeinsam in gemeinsamer Verantwortung übernimmt. Sie erlebt aber den Jungen, der sich mit anstellt und nun auch noch „haben“ will als zusätzliche Belastung, die sie dann oft überfordert.

 

Leider wirkt auch hier wieder das Prinzip „Hoffnung“, sodass die Frauen hoffen, dass es besser werden wird. Wenn ich mit einer Frau spreche, die sich nun tatsächlich trennt und entdeckt, dass das Leben allein tatsächlich leichter ist, und ich sie frage: „Seit wann wissen Sie es, dass es nicht funktioniert?“ dann bekomme ich sehr oft die Antwort: „Seit 5 Jahren!“.

 

Ein Junge wird aber nicht von selbst zum erwachsenen Mann! Auch die beste Frau kann diesen Job nicht machen! Dieser Übergang kann nur gelingen, wenn es der Junge selbst sehr stark möchte und sich dem psychischen Reifungsprozess zuwendet. (Im Gegensatz zur körperlichen Reifung bedarf die geistige Reifung intensiver Arbeit). Dieser Prozess wird oft von Schmerz begleitet, einer Erfahrung der Jungen gern ausweichen. Aber nur die Konfrontation mit dem „Abschiedsschmerz“ kann den Prozess fördern, der zum unwiderruflichen Verlust des Paradieses als Schlaraffenland führt. Sonst bleiben die Jungen „Peter Pan“ und seine verlorenen Jungen, die bewusst nicht erwachsen werden wollen. Sie können deshalb auch nicht verantwortungsvoller Partner in einer Beziehung und auch nicht verantwortungsvolle Eltern werden.

 

Der Schmerz hat grundsätzlich damit zu tun, anzuerkennen, dass ich nicht alles bekommen habe, was ich wollte und das es nun damit vorbei ist, andere für mein Schicksal verantwortlich zu machen. Es endet das sich Beklagen und das Jammern. Der Junge erkennt, dass es damit vorbei ist, auf das zu warten, was ihm nach seiner Meinung noch zusteht. (Bei Männern ist dies oft die Anerkennung des eigenen Vaters)

 

Erst die Aufgabe der Forderung an Andere führt zur Entdeckung, dass ich jetzt selbst für mich zuständig bin. Dann kann ich mir das alles selbst geben, was ich mir (noch immer) von anderen (oft den Eltern) wünsche.

 

Damit entsteht die Unabhängigkeit, die dem Mann erst erlaubt, als Erwachsener mit Erwachsenen Beziehungen einzugehen. Dann kann er auch als Erwachsener mit Kindern umgehen und als Elternteil Verantwortung übernehmen. Es geht darum, von den kindlichen Bedürfnissen (wie z.B. Geborgenheit) zu den Bedürfnissen des Erwachsenen zu kommen (wie z.B. Zugehörigkeit). Bleibt das alte kindliche Bedürfnis, dann wird dies die Beziehungen zu den Erwachsenen vergiften.

 

Aber das verlangt Anstrengung und Mühe! Meist besteht kein Grund anzufangen, weil es doch auch so geht. Auch in der Arbeitswelt werden für die einfachen Arbeiten gerade Menschen gesucht, die nicht erwachsen und unabhängig sind und nicht selbst denken. Bevorzugt werden Kinder, die gehorchen. Wenn dann eine Beziehung (Ehe) zu Ende geht, dann sucht sich der „Junge“ eben eine neue Mama. Leider sind noch immer so viele Frauen auf der Suche nach „Jungs“, die für sie so ungefährlich erscheinen.

 

Wir können hier nicht in die Tiefe dieser Prozesse einsteigen, sondern wollen nur diesen Konflikt ansprechen, der so viele Beziehungen zum Scheitern bringt.

 

HINWEIS ZUR TRENNUNG

Eine Beziehung besteht aus vielen Elementen: aus Träumen, Wünschen, Gefühlen und eben auch aus tatsächlichen körperhaften Begegnungen. Bei einer Trennung darf man nun alles behalten, außer den körperlichen (physischen) Aspekten. Man darf also alle Träume und Wünsche behalten, muss sich „nur“ von allen Begegnungen auf der physischen d.h. verkörperten Ebene verabschieden. Das betrifft:

  • Alle Begegnungen, Berührungen und Kontakte der Körper, direkte Gespräche miteinander,

  • Alle schriftlichen Kontakte, wie Briefe, Mails und Skypen und

  • Alle telefonischen Verbindungen.

  • Das Gesetz verlangt auch noch, dass ein Partner nicht mehr für den anderen kocht oder wäscht. (z.B. bei einer Trennung in demselben Haus). (Ein Beispiel aus der Praxis: Die Frau hatte noch die Wäsche für den Mann gewaschen und das nicht mal wegen ihm, sondern nur deswegen, weil es auf sie zurückgefallen wäre, wenn der Mann, der Alkoholiker war, völlig verdreckt im Dorf herumgelaufen wäre. Das Gericht hat eine Scheidung zu diesem Zeitpunkt abgelehnt.)

 

Alle diese Begegnungen suggerieren, dass die Beziehung weiter geht. Dabei ist es völlig egal, ob diese Kontakte nett und freundlich sind oder rachsüchtig und gemein. Kontakt ist Kontakt.

 

Nach Beendigung des Kontakts dauert die Trennung bei Beziehungen, die weniger als ein Jahr bestanden haben, so lange, wie die Beziehung gedauert hat. Bestand die Beziehung ein Jahr oder länger, so dauert die Trennung 1 Jahr. Früher durfte z.B. eine Witwe vor Ablauf eines Jahres nicht wieder heiraten und heute verlangt das Gesetz eine Trennung von mindestens 1 Jahr, bevor einer der Eheleute die Scheidung einreichen kann.

 

Wir haben natürlich ein Problem mit dritten Personen. Was ist mit gemeinsamen Freunden, was ist mit Kindern? Bei den Freunden ist es oft so, dass sich diese entweder dem einen oder der anderen zuordnen und sich aufteilen. Bei gemeinsamen Kindern muss ein Mindestmaß an Kommunikation aufrechterhalten werden, um praktische Dinge, wie Umgang, Ferienregelungen, Krankheiten und Schulfragen abzustimmen. Nach einem Jahr kann diese Kommunikation wieder ausgeweitet werden.

 

Wir treffen hier z.B. den Mann, der mit seiner Frau im Hause seiner Eltern lebt und bei Konflikten zwischen seiner Mutter und seiner Frau immer zu seiner Mutter hält und möchte, dass alles so bleibt, wie bisher. Wir haben nur sehr ausführlich einen Prozeß dargestellt, der den Mann betrifft. Das ist recht einseitig. Es gibt nämlich auch Prozesse, welche die Frau betreffen. Wir wollen davon noch einige erwähnen.:

 

Mechnismen, die eine Frau in die Beziehung einbringen könnte sind:

  • Sie wünscht sich eigentlich einen Sohn und sucht sich einen Mann, der nicht erwachsen ist.

  • Sie macht ihren Sohn zum (heimlichen) Partner.

  • Sie ist selbst bedürftig und versucht, aus dem Ehemann und manchmal auch aus den Kindern Eltern für sich zu machen.

  • Das Erwachsenwerden braucht auch von dem Mädchen zur Frau geistige und emotionale „Arbeit“ und Mühe.

  • Sie wünscht sich wieder, unselbstständig zu sein und von ihrem „Vater“ geliebt und versorgt zu werden. So nimmt sie die Rolle des unselbstständigen Partners an und wünscht sich von ihrem Mann, dass er die „Macht“ hat und sie beschützt und versorgt. Sie findet einen Mann, der die Kontrolle behalten will und es ihr erlaubt „klein“ zu bleiben. Sie unterwirft sich dem Mann. (Wir erkennen dies oft daran, dass sie alles unterschreibt, was der Ehemann ihr vorlegt) So stehen sie in den Darlehensverträgen mit drin, aber im Grundbuch steht nur der Mann. Sie weiß oft nicht, was ihr Ehemann verdient und wieviel Geld er hat.

Die Welt ändert sich so schnell, und die Ehe muss mithalten. Man könnte die Ehe als einen Vertrag verstehen, dessen Kleingedrucktes alle 2 Jahre geändert wird. So schnell ändern sich die rechtlichen Bedingungen durch Gesetzesänderungen und Urteile der obersten Gerichte. Um ein kleines Gefühl dafür zu bekommen, wie sehr sich alles geändert hat, habe ich hier einen Ausschnitt aus einen Handbuch für die gute Ehefrau aus dem Jahre 1955 eingefügt:

 

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